Pyroporno
 
Der Pädagoge Kain Karawahn wendet sich in seinem Werk "Pyroporno" einem heiklen Thema zu, das nur zu leicht für einen Aufschrei in der Gesellschaft sorgen kann. Die Darstellung der menschlichen Sexualität oder des Sexualaktes mit bewusster Betonung der Geschlechtsorgane in ihrer sexuellen Aktivität hat in unserer Gesellschaft kein gutes Ansehen. Obwohl dieses Thema genau genommen das natürlichste der Welt ist, wird es tabuisiert. Gleichwohl üben wir früher oder später alle unsere Sexualität aus.
 
Der Buchtitel ist provokant, der Inhalt jedoch überrascht. Insbesondere der textliche Teil am Anfang erläutert Zusammenhänge, die anderswo maximal angedeutet werden. Zu groß scheint die Hemmschwelle sich mit der Thematik von Feuer und Sexualität auseinanderzusetzen und ihr wahrhaftig ins Auge zu blicken.
 
Möchten wir jedoch die Hintergründe verstehen, so sind wir gezwungen, uns auf eine Zeitreise zu begeben. Wir reisen in eine Zeit, in der unsere Vorfahren noch in Höhlen lebten. In eine Zeit, in der sie Feuer zwar kannten, aber nicht selbst erzeugen konnten. In eine Zeit, in der unser menschliches Gehirn noch Lichtjahre von unserer heutigen Entwicklung entfernt ist und unser Geist als primitiv bezeichnet werden darf. Sind wir nun gedanklich in dieser Zeit angekommen, begleiten wir die Evolution ein Stück und machen Entdeckungen, die uns verstehen lassen.
 
Es findet sich zwar der paläntologische Konsens [Paläntologie = Wissenschaft von Lebewesen vergangener Erdzeitalter, Konsens = Übereinstimmung], dass die ersten menschgemachten Feuer dieser Welt mittels Holzstöckchenreibung erzeugt wurden, doch wie ein primitiver Geist auf eben dieses Verfahren kommen konnte, zumal in der Natur nicht zu finden ist, dass sich reibende Zweige an einem Baum so weit erhitzen, dass sie entflammen, somit ein äffisches Kopieren durch Menschen ausgeschlossen ist, darüber wird wenn, dann nur in einem Nebensatz spekuliert. (Karawahn, 2002, S. 3)
 
Wie kam es also dazu, dass der Mensch Feuermachen lernte und warum sprechen wir beim Sexualakt vom Vögeln?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns klar machen, wie damals ein Feuer entstand. Durch Blitzschlag wurden Bäume und Sträucher in Brand gesetzt und alles, was nicht schnell genug fliehen konnte, verbrannte in den Flammen. Auf der Suche nach Nahrung haben unsere Vorfahren einst das verbrannte Fleisch toter Tiere probiert und die erstaunliche Feststellung gemacht, dass es leichter verdaulich war, als rohes Fleisch. Das Problem war jedoch, dass man dieses gut genießbare Fleisch nur bekam, wenn es gebrannt hat und brennen tat es vor allem dann, wenn es blitzte. Blitzen tat es jedoch nur, wenn Wolken am Himmel waren. Dies ist der eine Teil der Beobachtung unserer Vorfahren.

In einem zweiten bemerkten sie, dass bei größeren Feuern oftmals ganze Stamm-, Kronen- und Astpartien, aufgrund der Thermik, die damals aber noch nicht bekannt oder erforscht war, nach oben in die Luft gerissen wurden. Bei anderen Feuern war zu beobachten, dass die Flammen wie Federn am Holz haftend wirkten.
 
Da brennt und "lebt" das ganze Holzstück zu einem beflügelten Wesen mit schwarzem Rumpf, wie ein Rabe, der flügget, ohne sein Nest zu verlassen, und doch fliegt auch hier ein Teil von ihm nach oben: als Rauch und bildet dort eine neue Wolke - bis es aus der wieder blitzt (...). (Karawahn, 2002, S. 3-4)

Die Menschen begannen diesen Prozess zu beobachten. Die einzigen, die so hoch oder sogar noch höher fliegen als Wolken sind Vögel. Und der Augenblick eines schnellen Blitzschlags auf die Erde ähnelt doch sehr dem Sturzflug des beutegreifenden Adlers. Für den primitiven Geist könnte sich so die Vermutung durchgebrannt haben, dass Vögel ursächlich mit Feuer in Verbindung stehen.

Damit ist jedoch nur ein Teil der anfänglichen Frage beantwortet, denn Feuermachen konnte der Mensch noch nicht, auch wenn Vögel inzwischen mit Feuer in Verbindung gesetzt werden konnten. Wir forschen daher weiter in dieser Zeit und beobachten die Entwicklung der Evolution.

Verbranntes Fleisch war leicht verdaulich und schmeckte besser als rohes. Aus diesem Grund musste der Mensch das Feuer einfach besitzen. Hatte er es geschafft sich ein wenig Feuer und damit auch seine Wärme mit in die Höhle zu nehmen, hütete und pflegte er es sorgsam. Damals war an Feuer noch nicht so leicht heran zu kommen, wie das heute der Fall ist und genau aus diesem Grund muss es ziemlichen Stress untereinander gegeben haben, wenn das Feuer wieder aus ging. Wenn dies jedoch passierte, musste man nicht nur darauf warten bis es wieder irgendwo brannte, sondern es bedeutete auch zu frieren. In den Höhlen der damaligen Zeit gab es vermutlich keine Zentralheizung und so war es kalt, wenn es kein Feuer gab.
 
Und was machen Sie, wenn Sie warten und warten, und sich tatenlos langweilen, kein Feuer, somit kein Licht und keine Wärme und wieder mal Heißhunger auf Fleisch haben? Ihre Temperatursensibilität erhöht sich bei zunehmender Auskühlung, Sie reiben sich die Hände und erzeugen so Wärme und dann reiben Sie ihre Körper, um noch mehr Wärme zu erzeugen und es wird heißer und heißer, weil Sie vögeln! - so richtig freudigst heiß: tiefe Gefühle, genau wie die von Feuerwärme ausgelösten, als es noch brannte - und plötzlich gibt's eine zündende Idee. (Karawahn, 2002, S. 4)

Feuer wurde als lebendes Wesen gesehen und dieses musste sich irgendwie fortpflanzen. Also kopierte man das, was man selbst zur Fortpflanzung praktizierte. Eines der überall auffindbaren und leicht zu bearbeitenden Holzstückchen spitzte unser Vorfahr an einem Ende rund: Der Vater, der Phallus. In die Seite eines anderen machte er eine kleine Vertiefung: die Mutter, die Vagina. Durch schnelles, intensives Reiben des Holzschwanzes in der Holzmöse konnte er große Hitze erzeugen, bis sich das Feuer schließlich entzündete.
 
Für den Menschen war und ist es eine sexuelle Erfahrung, Wärme durch Reibung zu erzeugen. Das durch Reibung gewonnene Feuer, ein Vorgang, der so in der Natur nicht zu beobachten ist, hat der Urmensch daher zuerst in seinem Inneren entdeckt. Das Holzstückchenritual ist für ihn der kürzeste Weg gewesen, Feuer zu reproduzieren. (Karawahn, 2002, S. 5)

Aus all diesen Beobachtungen lässt sich für unsere Vorfahren zusammenfassend schlussfolgern:
 
Der Feuerbringer ist ein vögelnder: blitzschnell gerieben im Sturzflug nach unten und als Rauch schwebend nach oben (...) (Karawahn, 2002, S. 6).
 
Für ein primitives Gehirn eine reife Leistung von dieser Beobachtung ausgehend über das Reiben von Körpern hin zur Entdeckung wie man Feuer machen kann.
 

 

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