Scham
 
Viel wurde inzwischen über die Zusammenhänge von Feuer und Sexualität geschrieben. Ein Aspekt, der bis jetzt noch nicht betrachtet wurde, ist das Gefühl der Scham. Es ist ein wichtiger Regulationsmechanismus des Selbst, wie auch der Beziehungen zwischen dem Selbst und anderen Menschen. Erinnern wir uns an die Beispielsituation und an die Person, die diese ungewohnte sexuelle Neigung das erste Mal an sich feststellt. In ihrem bisherigen Leben hat sie vermutlich gelernt, wie das normalerweise so läuft mit den Bienchen und Blümchen. Jetzt eröffnet sich für sie jedoch ein absolut neuer Aspekt. Es wäre nicht verwunderlich, wenn sie sich für ihre Andersartigkeit schämt.
 
In der Gesellschaft, in der wir leben, ist eine solche sexuelle Vorliebe bislang noch nicht allgemein toleriert. Nicht wenige werden vermutlich ihr Unbehagen dagegen äußern, die Neigung belächeln und/oder solche Menschen als krank titulieren. Dadurch besteht für den Betroffenen die Gefahr, an den Rand der Gesellschaft gedrückt zu werden, denn im Sinne einer Schamkultur ist das Ansehen und der gute Ruf der höchste Wert.
 
Das Gesicht zu wahren ist von zentraler Wichtigkeit. Es geht um die Polaritäten von Ehre und Schande, Ruhm und Verachtung, Respekt und Lächerlichkeit (Braune, 2005, S. 55).
 
Das Wort Scham wird vom indogermanischen kam abgeleitet und bedeutet zudecken, verschleiern. "Wer sich schämt, will sich verbergen und möchte so nicht gesehen werden" (Braune, 2005, S. 55). Ein Mensch, der dieses Gefühl wahr nimmt, ist sich also bewusst, dass die Gesellschaft auf eine bestimmte Weise reagieren wird oder rechnet zumindest mit einer entsprechenden Reaktion. Daraus erwächst eine Art Zwickmühle. Auf der einen Seite möchte die Person frei und ungezwungen leben und auf der anderen Seite will bzw. muss sie sich verstecken. Gefühle der Angst können wach werden, denn "Scham bedeutet Angst vor totaler Verlassenheit, nicht vor physischem Tod, sondern vor psychischer Vernichtung" (Huldberg, 1987, S. 92, zitiert nach Braune, 2005, S. 56).
 
Erschwerend kommt hinzu, dass es sich bei der Scham um ein sehr körpernahes Gefühl handelt, dass sich durch eine Vielzahl von Symptomen äußert. Man wird rot oder möchte im Boden versinken. Das Herz beginnt zu rasen, Schweiß bricht aus und die Knie können weich werden. So sichtbar die Person, die sich schämt, mit ihren Körperreaktionen ist, so unsichtbar möchte sie sich machen. Aus diesem Grund führt Scham in die Einsamkeit.
 
Gefährlich wird es, wenn der Betroffene das Gefühl der Scham als Makel an seinem Dasein empfindet, der ihm unentrinnbar anhaftet. Dann können Sehnsüchte nach Reinigung und Säuberung auftauchen. Je nach Persönlichkeit sind Menschen in einer solchen Situation bereit, zum Äußersten zu gehen. Im schlimmsten Fall kann dies zum Suizid führen.
 

 
EXKURS:
In Zusammenhang mit der Scham und der Bereitschaft zum Äußersten zu gehen, auch für vermeintlich ganz normale Alltagsprobleme, ist das Buch "Feuerzeichen - Warum Menschen sich anzünden" sehr empfehlenswert.
 

 
Problematisch ist es auch, wenn der Betroffene sich zwischen seinen Wünschen und den Idealen der Gemeinschaft entscheiden muss. Nach S. Freud bezahlt es der Einzelne mit der Angst, bestraft zu werden, wenn er gegen die Ideale der Gemeinschaftskultur steht und seinen sexuell-libidonösen Trieben folgt. Im umgekehrten Fall bleibt sein Triebdruck bestehen und er wird mit sich selbst keinen Frieden schließen können.
 
Es bleibt bei dem Konflikt zwischen den individuellen und intimen Wünschen an die Lebensgestaltung, vor allem an die Gestaltung der Sexualität, und den allgemeinen zivilisatorischen Normen und Idealen (Braune, 2005, S. 61).
 
Aus dem Grund, dass das Gefühl der Scham zusätzlich mit dem Selbstwertgefühl verbunden ist und der Begriff Wert sprachlich mit der Würde verwandt ist, kann ein dauerhaftes Schamgefühl zu einem gestörten Selbst führen.
 
In ihrem Selbst gestörte Menschen sind in besonderer Weise auf Anerkennung und positive Verstärkung, oft sogar auf Bewunderung angewiesen, um die narzisstische Wunde erträglich zu machen (Braune, 2005, S. 71).
 
Daraus folgt die Empfehlung für den gegenseitigen Umgang: Der Betroffene sollte zunächst einmal in seinem Wesen ernst genommen werden. Akzeptanz und Toleranz sind in diesem Kontext existenziell wichtige Begriffe, mit denen man aufeinander zugehen kann und sollte.
 
 

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